StartseiteStartseite  Neueste BilderNeueste Bilder  AnmeldenAnmelden  LoginLogin  HEXIKONHEXIKON  

Das Loch der Verzweiflung

Heute morgen hab ich was Interessantes erlebt. Ich lag im Dusel, wusste, dass ich bald aufstehen muss, hörte draußen die Vögel, die Geräusche, wenn es Tag wird, und da ging es plötzlich auf: Das Loch der Verzweiflung.

Keine Brust-zerkratz-Haare-ausreiß-Verzweiflung, sondern dieses subtile, sanfte Grauen, das ich von unzähligen Morgen kenne, an denen ich zur Schule musste oder in die Arbeit. Dieses ich maaaag nicht, dieses Alles ist öde und hoffnungslos und sinnlos. Alles.
Das Gefühl ist sanft, unaufgeregt, seltsam erträglich und allumfassend existentiell.

Ich bin sicher, dass viele dieses Gefühl sehr gut kennen. Es war lange Zeit meines Lebens absolut normal. Du stehst halt trotzdem auf, und über den Tag vergisst du’s, auch wenns natürlich weiter wirkt, und am nächsten Morgen ist es wieder da. Und du stehst auf – repeat and fade.

Heute morgen ~
Ich glaube, ich hab das noch nie so deutlich gespürt wie heute Morgen, wo genau im Körper dieses Gefühl bei mir sitzt. Um den Bauchnabel rum, mehr Richtung Sonnengeflecht. Es ist wie ein Loch, das aufgeht und durch das Energie abfließt.

Und ich habe bemerkt, wie ich dem Gefühl gefolgt bin, wie ich mehr und mehr Energie durch das Loch hab fließen lassen. Weils normal war. Weils immer so war, weil das Loch unter allem lag. Ich kenne es so gut, seit so vielen vielen VIELEN Jahren. Weil die Welt sinnlos und trostlos scheint. Gleich da draußen jenseits des Fensters eine Zivilisation, die alles umfasst und in der ich mich gefangen wähne, der ich mich ausgeliefert wähne-

Ja genau.
Netter Versuch.

Ich bin nicht ganz sicher, wie und warum ich heute morgen zum ersten Mal im Leben das Loch gleich wieder zugemacht habe.

Ich glaube, es ist ne Kombination aus mehreren Faktoren:

  1. Sehr wichtig: Ich habs gemerkt, als das Loch aufging, ich hab gespürt, wie die Energie abfließt. Früher war das einfach normal und ich habe mich dem Loch als gegeben ausgeliefert. Wär gar nicht auf die Idee gekommen, die Wahrheit des Gefühls in Frage zu stellen.
  2. Ich hab keinen Grund, nicht aufstehen zu wollen. Es ist schön hier, auch bei trüben Wetter; die Schule ist oft super und immer auszuhalten. Mein Leben ist tatsächlich viel besser als früher, als ich mich mehr in unheilsamen Strukturen verstrickt hatte als jetzt.
    (Warum und wie das gekommen ist, das wär auch mal interessant zu beleuchten.)
    Das habe ich mir heute morgen klar gemacht, und dadurch wurde das Loch etwas kleiner. Es ging allerdings – interessant! – nicht zu. Es floss weiterhin Energie ab und die Welt kam mir zwar nicht mehr so unerträglich, aber weiterhin sinnlos und traurig vor.
  3. Und dann hab ich NEIN gesagt. Ich hab keine Gründe mehr gesucht, keine Erklärungen, keine Selbst-Motivationen, keinen Trost – Ich habe einfach nur keinen BOCK mehr gehabt, meine Energie abfließen zu lassen.
    Ich bin davon überzeugt, dass ich mit deprimierter Hoffnungslosigkeit die kollektive Trance füttere, und dazu bin ich nicht mehr bereit. Schluss mit Wurst! Mein Bauch gehört mir. Das ist meine Energie PUNKT.
    Da ging das Loch zu.

Einige Zeit später, in der Straßenbahn, musste ich angesichts absurder Reklame in generischen Hochglanzschaufenstern öfters kichern. Und da fiel mir auf, wie oft ich auch da Energie durch das Loch hab fließen lassen.
Unglücklich und hoffnungslos habe ich durch die Straßenbahnfenster auf den Kommerz und die verlorenen Menschen darin gestarrt und gedacht, die Welt ist nicht mehr zu retten.
Achwas, Unfug und Humbug! Ich bin kein Teil des absurden Theaters. Wenn diese Welt da nicht mehr zu retten ist, um so besser!

Tja, und heute waren die Leute auffallend nett und feundlich zu mir.

Das Loch bleibt zu!